Wenn die Liebe fehlt …
Gefühlsmäßig kommt von ihm nichts mehr. Er würde alles für sie machen und ihr helfen, wo er nur kann. Was er kaufen kann, kauft er ohne zu zögern. Als würde er sich gefühlsmäßig von ihr freikaufen wollen. Ihr fehlt seit einiger Zeit das Gefühl in der Beziehung, die Liebe.
Begonnen hat das Ganze, ihrer Schilderung nach, bei einem gemeinsamen Urlaub. Sie waren knapp eine Woche weg und er zeigte nur ein einziges Mal Interesse an ihr. Ständig ließ er sie alleine und „erkundete die Gegend“. Auf gemeinsamen Ausflügen mit der Gruppe stand sie immer irgendwo alleine herum und er war sonst wo. Der Urlaub brachte sie zum Nachdenken. War es das, was sie wollte? War das das Leben, das sie sich vorstellte? Wo war die Liebe hingekommen, wo die Leidenschaft und das Verlangen?
Ihre letzten beiden verzweifelten Versuche, ihm klarzumachen, dass es zu wenig ist, dass Gefühle lediglich „vorhanden“ sind, lagen nun schon wieder einige Zeit zurück. Sie wies ihn auf die Wichtigkeit des Vermittelns von Gefühlen dem Partner gegenüber hin. Darauf reagierte er sofort abweisend und suchte das Weite. Kritik an seiner – ach so göttlichen und unfehlbaren – Person war in jedem Fall und absolut unangebracht! Er war eingeschnappt, zog sich völlig zurück, und sie konnte ihn tagelang nicht erreichen. Ein Gespräch zu finden, dauerte mindestens eine Woche, denn das Reden über Probleme, um diese aus der Welt zu schaffen, war nicht so sein Ding. Er lebte mehr unter dem Motto: „Viel reden, nichts Wichtiges sagen!“
Nach dem Urlaub organisierte er ein Essen für Freunde in einem seiner Stammlokale. Sie einzuladen hatte er allem Anschein nach „vergessen“. Dafür wurde sie aber in geselliger Runde explizit ausgeladen: „Die Weiber brauch ma da net dabei“, wie er es so schön und treffend formulierte. Ein Affront! Ein Stich mitten ins Herz! Eine geistig mit 12 Jahren stehengebliebene Fünfzigjährige wurde in der Folge von ihm eingeladen, weil „die ja so lustig ist“. Es ging ihr nicht um das Tschopperl, sondern ums Prinzip. Sie hatte das einfach nicht nötig!
In der Folge stellte sie die Fahnen auf Halbmast und zog sich zurück. Sie wollte ihn einfach nicht sehen. Einige belanglose Telefonate über seine Firma, neue Kunden, beziehungstechnische Neuigkeiten bei seinen Freunden etc. folgten in den nächsten Tagen. Wie sehr hatte sie auf ein liebes Wort oder auf ein „du fehlst mir“ gewartet. Von einem „ich liebe dich“ wagte sie nicht einmal mehr zu träumen. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie sich das anhört. Wenn sie ihn direkt darauf ansprach, kam nur ein: „Jetzt wirst es ja doch schon wissen!“, von ihm zurück.
Im Zuge eines der erwähnten Telefonate erzählte er ihr, dass es in der Parkgarage eine Aktion geben würde. Wenn man zwei Garagenplätze mietet, zahlt man für den zweiten die Hälfte oder gar nix, keine Ahnung. Bisher durfte sie ihr Auto auf einem seiner Parkplätze abstellen. Sie hatte den Wink mit dem Zaunpfahl klar und deutlich verstanden und sich sofort um einen eigenen Garagenplatz gekümmert. Sie distanzierte sich immer weiter von ihm.
Bei einem weiteren dieser Telefonate bekam sie eine für ihn besonders wichtige Story zu hören: Er erzählte ihr, dass sein Mechaniker der Ansicht ist, dass die AHS-Matura total unnötig ist. „Mit der kann man nur studieren, sonst kann man sie sowieso nicht brauchen.“, prustete er. Sie fühlte sich persönlich angegriffen. Er, der selbst so weit von einer AHS-Matura entfernt war, hatte es am Nötigsten, die Aussagen seines Mechanikers nachzuplappern. Sie war eigentlich ganz froh darüber, die AHS-Matura gemacht zu haben. Abgesehen davon, dass ihr Sohn ein ausgezeichneter Schüler war, war es für sie bisher immer ein Leichtes gewesen, ihn im Gymnasium beim Lernen zu unterstützen, während andere bereits in der Unterstufe teuren Nachhilfeunterricht zahlen müssen. Sie nahm ihm sein Unwissen nicht mehr übel. Er begann ihr leid zu tun.
An einem Mittwoch, Mitte März, war er unterwegs bei Kunden. Er rief sie von dort aus an und fragte, ob sie sich noch sehen würden. Als sie verneinte, sagte er zu ihr, er wäre auf dem Nachhauseweg und würde sich in ca. 20 Minuten von zu Hause aus melden. Er meldete sich aber nicht mehr. Langsam machte sie sich Sorgen. Zwei Stunden später schrieb sie ihm eine Nachricht. Er rief nicht an und ihre Nachricht blieb ungelesen.
Tags darauf versuchte sie mehrfach, ihn telefonisch zu erreichen. Er nahm das Telefon nicht ab. Irgendwann am Nachmittag ließ er sich dann endlich dazu herab, sie zurückzurufen. Lediglich um ihr mitzuteilen, dass er „sehr verstimmt“ darüber gewesen wäre, dass sie ihn am Vorabend nicht einmal auf ein Wurstbrot eingeladen hatte. Sie traute ihren Ohren nicht und fragte noch einmal nach. „Nach einem so stressigen und harten Tag erwarte ich mir schon, dass ich zumindest ein Wurstbrot krieg!“, kläffte er sie an. Sie war so dermaßen von den Socken, dass sie mit einem: „Ach, mach doch einfach was du willst!“, beleidigt auflegte.
Es war für sie unvorstellbar! Nicht nachzuvollziehen! Welcher Art von Glaskugel hätte es bedurft, um zu sehen, dass er noch nicht zu Abend gegessen hatte, nachdem er zwei Lokale besucht hatte? Warum in aller Welt hatte er ihr nicht einfach gesagt, dass er sie sehen wollte! Nicht einfach nachgefragt, ob sie was gekocht hatte?
Als sie wieder klare Gedanken fassen konnte, war sie fast ein wenig amüsiert nach dem Telefonat. Hurrraaa! Sie wurde von ihm plötzlich wieder gesehen! Als Köchin wohlgemerkt, die als alleinerziehende Mutter nach ihrem 40-Stunden-Job auch noch die Pflicht hatte, den großen Herrn und Meister zu bekochen. *kurzer Freudentanz* Sie musste ihm gratulieren. Er hatte es mit seiner schroffen und deplatzierten letzten Aussage doch tatsächlich geschafft, auch noch den letzten Rest an Liebe, der irgendwo in ihr noch für ihn geschlummert hatte, abzuwürgen.
Sie ist eine leidenschaftliche Köchin und bäckt für ihr Leben gerne. Bisher hat sie es immer genossen, ihn zu bekochen, für ihn zu backen, ihn einfach zu verwöhnen. Das war für sie eine Selbstverständlichkeit. Alles, was sie bisher gemacht hatte, geschah einzig und allein aus Liebe zu ihm. Jetzt hatte er den Bogen eindeutig überspannt. Die Kommandantenrolle konnte er in seinem Betrieb spielen, nicht bei ihr. Sie war definitiv keine seiner Angestellten!!
Es war in letzter Zeit auch so, dass er keine Ahnung mehr von dem hatte, was sie so machte, ob beruflich oder privat. Wichtig war ihm nur, dass er sie mit den für ihn wichtigen Dingen überschütteten konnte und sie nicht einmal mehr zu Wort kommen ließ. Wenn sie ihn unterbrach, um auch einmal zu Wort zu kommen, dann bekam sie ein schroffes: „Unterbrich mich nicht!“, oder „Lass mich ausreden!“ zu hören. Wenn sie ihm was zu erzählen hatte, machte er keinen Hehl aus seinem Desinteresse. Schlussendlich saß sie nur noch wortlos und nickend da und hörte ihm zu. So kann das nicht weitergehen! Die Beziehung ist definitiv am Ende.
Als grenzenlose Romantikerin kommt ihr da einfach zu wenig retour. Immer mehr hat sie das Gefühl, ihm total egal zu sein! Das ist definitiv nicht das Leben, das sie sich vorstellt. Sie braucht keinen Mann, der für sie sorgt. Das schafft sie sehr gut alleine! Sie hätte sich gewünscht, dass er ihr auf Augenhöhe begegnet. Es wäre einfach schön gewesen, einen Mann an der Seite zu haben, der ihr seine Leidenschaft und sein Verlangen auch vermitteln kann. Einen Mann, der sie wirklich liebt ...